eindeutigst?
In der reinen Theorie kann man Adjektive entweder steigern oder eben nicht. Aber so eindeutig ist das in der Praxis leider nicht.
Manche Adjektive verhalten sich bei der Steigerung sehr kooperativ – schön, schöner am schönsten. Andere sind etwas komplizierter – viel, mehr, am meisten. Und andere wiederum verweigern sich der Steigerung von sich aus kategorisch; zum Beispiel solche, die einen Numerus implizieren – einzig, unendlich, eindeutig.
Das hindert viele Sprecher – ins Schriftliche schaffen es diese Konstruktionen glücklicherweise meistens nicht – nicht daran, sich trotzdem an der superlativst denkbarsten Steigerung zu versuchen.
Der „absolut einzige“ rosafarbene Elefant geht gerade noch durch, obwohl sich dabei die Frage aufdrängt, was denn „relativ einzig“ sein könnte. Sehr gerne spricht man in verschiedenen deutschen Dialekten auch vom „einzigsten“ seiner Art.
Heute geht es aber um ein bestimmtes Wort:
Eindeutig.
Im Wörterbuch steht eindeutig, daß nur eine einzige Deutung möglich ist und, daß das Wort nicht steigerbar ist.
Trotzdem hört man von freundlichen Zeitgenossen gelegentlich Bitten wie zum Beispiel „Könnten Sie diesen Absatz bitte noch etwas eindeutiger formulieren?“. An sich geht das nicht, denn eine Formulierung ist entweder eindeutig oder nicht. Aber das Anliegen ist klar verständlich und wird nett vorgetragen, also stören wir uns nicht weiter dran.
Enger wird das Mieder dieser Sprachschlampe, wenn der Sprecher so Sachen sagt wie „Das müssen wir ganz eindeutig festlegen.“.
Und es quillt unzüchtig über, wenn er von „eineindeutig“ spricht. Dann nämlich möchte er sich ganz klar ausdrücken, verwirrt aber eher.
Das Wort hat er in den meisten Fällen von einem Datenbank-Fachmann aufgeschnappt, und dort hat es durchaus seine eindeutige Daseinsberechtigung.
Es kommt aus der Mathematik und bedeutet „umkehrbar eindeutig“ – also, daß einem Element der einen Menge genau eines einer anderen Menge zugeordnet ist.
Diese Form von Eindeutigkeit ist äußerst selten zu beobachten, insbesondere dann, wenn Menschen miteinander umgehen. Gehen Computer miteinander um, sagt es meist, daß jemand bei der Programmierung mit seinem Latein (beziehungsweise einer Programmiersprache) am Ende war und sich nicht in der Lage sah, eine einzige Lösung zu finden.
Also verknüpfte er zwei Systeme eineindeutig miteinander.
Und dennoch: Nehmen Sie denjenigen, der „eineindeutig“ sagt, ruhig beim Wort!
Denn das heißt normalerweise, daß er mit seiner Aussage – meistens will er Ihnen oder anderen ja zusätzliche Aufgaben aufhalsen – mindestens genauso viel Arbeit hätte wie Sie.
Macht er das häufiger und nicht nur Ihnen gegenüber, dann wird hieraus bald ein „N:1-deutig“, wobei er die Eins und Sie eines der „N“ sind. Das wird für Sie sehr komfortabel und für Ihn sehr unübersichtlich. Er weiß nämlich nicht mehr, an wen er was delegiert haben könnte. Das wächst ihm irgendwann über den Kopf und keiner kann Ihnen die Schuld dafür geben!
Zweifelsfrei, und, wenn Sie so wollen:
Eindeutig.
(1. Januar 2011, Copyright by Sprachschlampen.De)
Druckversion
Diese Sprachschlampe bewerten!
|